Stiftung Zeit für Menschen Magazin 16/2019

4 ENGAGEMENT GEWÜNSCHT Demokratie-Forum für junge Menschen öffnet Handlungsspielräume 7 ORIENTIERUNG GEFRAGT 15. Kirchberger Dialog zeigt wie Transformationsprozesse gelingen 8 GERECHTIGKEIT GEWÜNSCHT Werkstattgespräche widmen sich einer gerecht belohnten Arbeit 10 HASEN MIT STIMMGEWALT Das Musical „Flötentoni“ ist gelebte Inklusion – 200 Kinder und Jugendliche sind dabei 12 UNSERE STIFTUNGSFAMILIE BEWEGT Neues Design für Internetaufritt der Stiftung ZEIT Für MENScHEN DAS MAGAZIN DER SAMARITERSTIFTUNG PRÄSENTIERT: Im Gespräch Jochen Mai, erfolgreicher Blogger über die zersetzende Kraft von Misstrauen Auf Erfolgskurs Stuttgarter Getränkehändler verzichtet auf Einweg im Sortiment Voll Stolz Philipp Kuhn vernichtet in der Werkstatt an der Schanz vertrauliche Daten 16/2019Im Gespräch Jochen Mai, erfolgreicher Blogger über die zersetzende Kraft von Misstrauen Auf erfolGskurs Stuttgarter Getränkehändler verzichtet auf Einweg im Sortimentvoll stolz Philipp Kuhn vernichtet in der Werkstatt an der Schanz vertrauliche Daten

EDITorIAl Liebe Leserinnen und Leser, trauen Sie sich etwas zu? Oder sind Sie eher verunsi chert? Wie oft glauben Sie, dass jemand Sie über den Tisch ziehen will? Trauen Sie der Tagesschau? Was trau en Sie Ihren Kindern zu, wie oft haben Sie den Impuls zu kontrollieren? Trauen und Zutrauen hat viele Aspekte. Was trauen wir uns selbst zu? Erst wer sich selbst etwas zutraut, wird auch aktiv. „Der traut sich aber was!“ wird ausgerufen, wenn jemand gegenüber Vorgesetzten einen Missstand benennt oder in einen Konflikt zwischen anderen Per sonen eingreift. Was trauen wir anderen zu? Wir trauen uns mehr, wenn andere uns etwas zutrauen. Kinder werden erst zu Per sönlichkeiten, wenn wir ihnen zutrauen, Aufgaben an zugehen und Probleme zu lösen. In jedem Jahr haben wir in der Abteilung, in der dieses Magazin entsteht, zwei junge Menschen im FSJ (freiwilliges Soziales Jahr) oder BFD (Bundesfreiwilligendienst). Direkt von der Schule kommend, haben sie wenig Erfahrung mit dem Arbeits leben. Sie sind mit zuständig für die Durchführung unserer Veranstaltungen und Messen. Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit und die Übernahme von Verantwortung ist gefragt. Das lässt sich nicht in der Schule lernen. Jetzt heißt es für die Kollegenschaft: Sagen wir ihnen jeden Tag genau, was zu tun ist oder übergeben wir Aufgaben in deren eigene Verantwortung? Nach einem Jahr verlassen uns nicht die Schüler der Anfangszeit, sondern gewachsene Persönlichkeiten. Dies ist sinnbildlich für die gegenwärtige Situation: bei aller Transformation, die vor uns liegt, können wir erschreckt zurückweichen oder uns und anderen etwas zutrauen. Nur so werden wir nicht transformiert, sondern gestalten diese höchst selbst. Sie, liebe Leserinnen und Leser, haben es meist selbst in der Hand, was Sie sich selbst trauen und ob Sie an deren vertrauen. Das hat dann konkrete Auswirkungen darauf, wie wir zusammenleben. Dafür haben wir in diesem Heft Beispiele zusammengetragen: Das Musical „Flötentoni“ hat 200 Kinder und Jugendliche aus mehr als 20 Ländern dieser Erde zusammengeführt. Sie ha ben zusammen geübt und eine beeindruckende Perfor mance hingelegt. (→ S. 10) Gut 160 Schüler und Erwachsene haben in einem Demo kratie-Forum „Lust auf Politik“ mit dem JuSo-Chef Kevin Kühnert und dem CDU-Urgestein Ruprecht Polenz darüber diskutiert, wie Demokratie funktio niert. Und sie haben gelernt, dass es eben nicht so ganz einfach ist, eine einfache Frage auch einfach zu beant worten. Jugendliche einer 9. und 12. Klasse konnten jedoch erfahren, dass sie es selbst mit in der Hand haben, welche Themen auf die Agenda kommen. (→ S. 4) Was wir uns zutrauen, ist auch Thema bei den Werk stattgesprächen im März 2020: Wäre ein bedingungs- loses Grundeinkommen die Lösung vieler Ungerech tigkeiten? (→ S. 8) Um die Bewältigung der vielen bevorstehenden Ver änderungen geht es auch beim 15. Kirchberger Dialog im Januar 2020. Wir können vor Klimawandel und der industriellen Revolution erstarren oder darauf vertrau en, dass wir auch diese Veränderungen wie viele vorher mutig bewältigen. (→ S. 7) In diesem Sinn: trauen Sie sich und anderen! Mit herzlichen Grüßen Reinhard Gradmann Geschäftsführer der Stiftung ZeIT FüR MenSCHen STIFTuNG ZEIT Für MENScHEN MAGAZIN · 16/2019

anstrengen lohnt sich in jeDeM fall Demokratie-Forum für junge Menschen in der Nürtinger Kreuzkirche fordert Engagement ein „Ich habe das Gefühl, Sie haben die Frage noch nicht be antwortet“, mahnt einer der jungen Leute den gestan denen ex-Bundestagsabgeordneten Ruprecht Polenz, der in gekonnter Manier weit ausholt, um zu erklären, wie er gute Politik macht. er war von 2005 bis 2013 Vor sitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages und von April bis November 2000 Gene ralsekretär der CDU. Hinhören, Zuhören und Mitreden, darum ging es beim ersten DemokratieForum, zu dem die Jugendsozialstiftung ZeIT FüR MenSCHen in die Nürtinger Kreuzkirche eingeladen hatte. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen etwa 70 Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse der Rudolf-Steiner-Schule, sowie der 9. Klasse der Geschwister-Scholl-Schule. Sie hatten sich vier Wochen lang im Unterricht auf Fragen vorbe reitet, die sie den Podiumsteilnehmern stellen wollten. Denn Lust auf Politik, so fanden sie einstimmig, kann’s nur geben, wenn diese geweckt wird.

ZEIT NEHMEN Doch wie genau kann und muss das gehen? Alle ha ben die jungen Menschen im Blick, und doch gelingt es derzeit einer 16-Jährigen aus Schweden am besten, den nerv der Jugend zu erreichen und eine gemeinsame Sprache für das zu finden, was viele umtreibt. Wie kann das sein? Von der Energiewende über den Datenschutz bis hin zu Deutschlands Rolle in der Welt, es gibt genug aktuelle Themen, bei denen die Politik das Leben des einzelnen Bürgers beeinflusst. Warum will die Jugend dabei so wenig mitreden? Politik konkurriert mit flotten Filmen von angesagten YouTubern und SoapStern chen um die Aufmerksamkeit der Jugendlichen. Tradi- tionelle Parteien verlieren massiv an Zulauf und die AfD hat bei den jüngsten Landtagswahlen in Thüringen vor allem bei den Menschen unter 30 Jahren Stimmen einge sammelt. Was ist los? Woran fehlt es in der Politik, damit junge Menschen Lust auf Demokratie bekommen? Auf dem Podium versuchten Juso-Chef Kevin Kühnert, der CDU Politiker Ruprecht Polenz, der Unternehmer und IST Metz-Geschäftsführer Christian Metz sowie nürtingens Oberbürgermeister Johannes Fridrich sich in einem offenen und interaktiven Dialog den Fragen, der Kritik und den Forderungen der Jugendlichen, die stellvertretend für die Generation Z ihre Anliegen vor trugen, zu stellen. Dabei hatte Moderator Konstantin Rethmann aus Freiburg schon ein gutes Stück Arbeit zu leisten, denn Podiums- und Talkshow geübt, ließen sich die ‚Prominenten‘ das ein oder andere Mal zum Abglei ten verführen. Mit Hilfe vom interaktiven Mentimeter konnten die Jugendlichen gleich zu Beginn der Veran staltung per Handy abstimmen, worüber sie sprechen möchten und was ihnen auf den Nägeln brennt. Stiftung zeit für menSchen magazin · 16/2019 5 Wir Jungen sind heute in eine Welt reingeboren, in der ziemlich vieles einfach gut ist. Trotz einiger zunächst grundsätzlicher Überlegungen zu Steuerpolitik, Umweltschutz oder Militärausgaben, kristallisierte sich unter den etwa 180 Zuhörerinnen und Zuhörern aller Altersstufen schnell heraus, dass die lokalen Begebenheiten wie Schulsanierung oder Bauvorhaben zur Schulerweiterung sowie die lokale Beteiligungsstruktur für Jugendliche in nürtinger ent scheidungsprozessen die „TOP-Ten“ unter den Dis kussionspunkten waren. Besonders geschätzt wurden die Aussagen des Juso-Chefs. Der, selbst eben erst 30 Jahre alt geworden, noch gut und authentisch davon berichten konnte, wie seine politische Laufbahn einst begonnen hat. Schülervertretungsarbeit, Jugendarbeit im Berliner Bezirk und vieles mehr. Auch Nürtingens OB Fridrich war als junger Mann in der Jugendarbeit der Kirchengemeinde engagiert. „Wir Jungen sind heute in eine Welt reingeboren, in der ziemlich vieles einfach gut ist. Dass wir es so friedlich haben, ist allerdings der Ausnahmezustand. Der Lauf der Geschichte zeigt das. Das haben wir Menschen zu verdanken, die sich immer schon für mehr interessiert haben als ihre eigene Nasenspitze“, sagte Kevin Kühnert. Ruprecht Polenz, seit seinem Ruhestand vor allem in sozialen Medien aktiv, twittert dort: „Auch junge Menschen nehmen an unserer Demokratie teil, und die müssen wir ernst nehmen.“ Christian Metz, Geschäfts führer beim Weltmarktführer in Sachen UV-Anlagen bau, geht ganz praktische Wege in Sachen Politik. Zum europa-Wahlkampf wurde im Unternehmen mittels Leberkäswecken und eU-Flaggen für den Gang zur Urne geworben. „Wir haben uns aus Parteienwerbung komplett herausgehalten, aber konsequent für Demo kratieEngagement eingesetzt.“

Metz setzt bei der Ausbildung junger Menschen in sei nem Betrieb außer auf die fachliche Ausbildung auch auf das Projekt „Soziales Lernen“, wo sie in der Werkstatt am Neckar in Wendlingen mit psychisch beeinträchtig ten Menschen arbeiten. „In unserem Haus geht es vor allem darum, das Gemeinschaftsgefühl und die sozialen Kompetenzen der jungen Menschen zu stärken.“ „Ich habe das Gefühl, dass wir kein Mitspracherecht ha ben“, sagt Ronja Patrizia Scheifele, 17 Jahre. „Ich habe in einem Polit-Talk im Fernsehen gesehen, dass keiner der befragten Politiker den Preis für eine Tüte Milch nen nen konnte“, erinnert sich Philipp Steidle. Der 18-Jähri ge findet, „dass immer weniger Politiker wirklich echte Volks-Vertreter sind“. Auch für Lucina Ries, 18 Jahre, sieht es so aus, dass Politiker eher aus Profitstreben handeln, denn als Vertreter des Volkes. Deshalb hörten die Jugend lichen auch ganz genau hin, als Polenz vom Interesse der Abgeordneten an der eigenen Wiederwahl sprach. Das könne nicht der Motor sein, Politik zu machen, schreiben sie ihm ins Stammbuch. Doch der Polit-Stratege stellte klar: „Wenn ich gewählt werden will, kümmere ich mich um das, was die Menschen interessiert. Ich höre zu und frage nach. Das ist die Basis meiner guten Politik.“ Eine weitere MentimeterAbfrage ergab, dass es sich die Jugendlichen wünschen, mehr und früher in politi sche Entscheidungen vor Ort eingebunden zu werden. OB Fridrich musste versprechen, die Schulen vor Ort zu besuchen, um sich über den Sanierungsbedarf und dessen Dringlichkeit ein Bild zu machen. 4,3 von 5 befragten jungen Menschen gaben an, dass sie sich mehr solcher informativer Politikveranstaltun gen wünschen. Und 3,7 von 5 gaben an, vom ersten DemokratieForum für junge Menschen zu politischem Engagement inspiriert worden zu sein. Für die Jugendsozialstiftung gehören Veranstaltun gen wie diese zum „Grundauftrag“ der Stiftungsarbeit. Denn politische Jugendbildung macht junge Menschen stark. Mit Rückgrat könnten sie so zu selbstbestimmten, verantwortungsbewussten und demokratisch handeln den Bürgerinnen und Bürgern heranwachsen. Dabei soll Bildung nicht aus dem Elfenbeinturm heraus geschehen, sondern in der Lebenswelt der Jugendlichen verankert sein. Politische Bildung biete jungen Menschen Orien tierung, motiviert sie zur Mitwirkung in der Schule oder während der Ausbildung und befähige sie zu zivilgesell schaftlichem Engagement. ■ Svv 6

ZEIT NEHMEN Der tanz auf Der herDplatte 7 Der 15. Kirchberger Dialog gibt orientierung: So gelingt Transformation s ind die Weihnachtseinkäufe schon gemacht? Sie zögern noch? Dann geht es Ihnen wie vielen. Einerseits geht es dem Durchschnitt der Unternehmen und der Bevölkerung nämlich ins gesamt so gut wie nie. Andererseits sitzt uns was im nacken. Rezession? Klimawandel? Zusammenbruch der Automobilindustrie? In vielen Bran chen, sei es die der Automobilzulie ferer oder der Banken, ploppen der zeit Meldungen zu Personalabbau auf. Prognosen gehen hin und her. Wie fühlt sich die Führungskraft angesichts der vielen Damokles schwerter über ihrem Kopf? … wie ein Frosch, der merkt, wie das Wasser im Kochtopf warm wird und deshalb rechtzeitig herausspringt. Das ist aber nicht seine Rettung, denn er landet auf der bereits sehr warmen Herdplatte daneben. So lässt sich die gegenwärtige Situa tion ganz gut beschreiben. Vor diesem Hintergrund sind Füh rungskräfte aus Wirtschaft und Sozialwirtschaft beim 15. Kirchber ger Dialog ende Januar eingeladen, einen Weg mitzugehen, der Mög lichkeiten aufzeigt, wie die gegen wärtigen Transformationsprozesse gelingen können. Dabei nähern sich die Referenten/innen dem Thema aus vier Richtungen: Was bringt die Zukunft, die Transformation der Gesellschaft, der Wirtschaft und im jeweils persönlichen Bereich. Jeanette Huber vom Zukunftsin stitut in Frankfurt beschreibt das Ende eines Zeitalters, des Anthro pozäns, in dem die Menschheit alles aufgebaut, verändert, aber auch die Erde, also die eigene Existenz, an Grenzen gebracht hat. Sie meint: es ist an der Zeit, die Beziehung zwi schen Mensch und Umwelt neu zu denken. Bernhard Pörksen, Pro fessor für Medienwissenschaft, beschreibt, was passiert, wenn gewohnte Modelle nicht mehr tra gen. Gibt es einen guten Weg trotz dem Orientierung zu bewahren? junge führungskräfte werden gefördert Die unternehmen Beck Management center GmbH, robert Bosch GmbH und Apetito stellen Stipendien für junge Führungskräfte zur verfügung. bewerbung und generelle anmeldung zur tagung: www.samariterstiftung.de/ kirchberg 27. bis 29. januar 2020 Berneuchener Haus, Kloster Kirchberg, Sulz a. N. tagungsgebühr: 690,- € (unterkunft, verpflegung, Tagungsbeitrag) Thomas Derlien vom Concepta- Team in Stade und ExAufsichtsrats vorsitzender der Telemotive AG hat einen sehr klaren Blick auf die kom mende Entwicklung insbesondere in Württemberg. Sein State ment: Fehlende Rahmenbeding ungen seitens der Politik, die Wähler/in nen müssen aktiv werden. Dr. Jan Wulf-Schnabel, Vorstandsvorsit zender der Stiftung Drachensee in Kiel und Gründer des Insti tuts für Inklusive Bildung meint: Die Wirtschaft muss sich wandeln. ein praktischer Weg: Gewinnorien- tiert und nachhaltig zugleich wirtschaften, wie Unternehmen weltweit im AshokaNetzwerk be weisen. Die Tagung schließt mit der Frage, wie ein gutes Leben ge lingt. Antworten versuchen Prof. Dr. Karlheinz Geißler und Jonas Geißler vom Münchner Institut für Zeit beratung. In Kirchberg wird Transformation wörtlich genommen: Die Teilneh mer/innen treffen auf verschiedene Formen des Dialogs. Der Theaterka barettist Thomas Kreimeyer wird die gesamte Tagung herausfordernd begleiten. Selbst die Küche ist in diesem Jahr anders: David Amthor, Kulturwissenschaftler und Wander koch wird sich bei einem Abend der „Kunst des Essens und des Essens als Kunst“ zwischen Kunst, Kochen und Kontemplation bewegen. Gau men und Gehör erleben „Transfor mation“. ■ rG Stiftung zeit für menSchen magazin · 16/2019

ZEIT NEHMEN 9 ü ber kaum ein Thema kann so trefflich gestritten wer den wie über die Gerech tigkeit in Verbindung mit Geld und Arbeit. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ – wer kennt dieses Bi belzitat nicht? Wie viele Generati onen sind im pietistisch geprägten Schwabenland in diesem Glauben groß geworden. es scheint klar zu sein: wer ar beitet bekommt Geld für den Le bensunterhalt – wer nicht arbeitet bekommt von der Gesellschaft Un terstützung als Zuwendung, man che sagen Almosen. Dafür muss der Empfänger einiges auf sich nehmen, Stichwort Hartz IV. Doch klarer wird auch, dass es zu nehmend schwer geworden ist, sich durch eigener Hände Arbeit einen gewissen Wohlstand zu erarbeiten. Matthias Günther, Leiter und Im mobilienexperte des Pestel-Insti tuts stellt fest, dass immer weniger junge Menschen sich ein eigenes Haus leisten können. Bei den 25 bis 40-Jährigen ist die eigentums quote innerhalb der vergangenen zwölf Jahre um fast zehn Prozent zurückgegangen. Schlechtere Ge hälter trotz Studium, befristete Be schäftigung, Landflucht und ande re Gründe spielen dabei eine Rolle. eine Journalistin sinnierte vor eini gen Jahren bereits darüber, warum sich ihr Vater einen Parkettfußbo den, sie sich, bei gleichem Beruf und Leistung, aber nur Laminat gönnen könne? Die Schere zwischen wohlhabend und armutsgefährdet ist im vergangenen Jahrzehnt gewachsen Reichtum wird über Reichtum gene riert, eine ungerechte Besteuerung tut das Übrige. Die Schere zwischen wohlhabend und armutsgefährdet ist im vergangenen Jahrzehnt ge wachsen. In jüngster Vergangenheit stagniert der Unterschied. Die Sorge ist groß, wie lang eine Gesellschaft eine zu große Spreizung aushalten kann. Gerade kürzlich erst disku tiert: Die Frage der Rentenhöhe und der Altersarmut. So ist es kei ne Überraschung, dass das bedin gungslose Grundeinkommen (BGe) seit vielen Jahren diskutiert wird. Der dm-Markt Chef Götz Werner hat es in die Schlagzeilen gebracht. Seit das Silicon Valley und der Sie mens-Chef Kaeser auch dafür sind, wird die Debatte neu belebt. Von was ganz genau wird dabei ge redet? Sozialpolitisch nähern wir uns dem Thema über den Begriff der „Menschenwürde“. Ökonomisch mit der Erkenntnis, dass mit der Digi talisierung und dem Verschwinden der einfachen Arbeiten der gesell schaftliche Konsens gefährdet ist und somit auch die Wirtschaft ein Problem bekommt. Es ist gemeinhin wenig bekannt, dass in den vergangenen 300 Jah ren schon mehrfach versucht wur de – und sogar mit Erfolg – ähnli ches zu etablieren. Sogar Richard nixon hätte Mitte der 60er Jahre Stiftung zeit für menSchen magazin · 16/2019 fast das BGE eingeführt. Namibia, das Land mit der größten Spreizung zwischen arm und reich steht kurz vor der Einführung. Könnte BGE in afrikanischen Ländern die beste Möglichkeit zur Bekämpfung von Fluchtursachen sein? Kann BGE bei uns die Bildungs- und Chancenge rechtigkeit für Kinder wesentlich verbessern? Wird damit die Aner kennung der „Hausfrauenarbeit“ endlich möglich sein? Die Werkstattgespräche werden das Für und Wieder gründlich beleuch ten. Auf dem Podium: Thomas Pores ki, MdL, Sozialpolitischer Sprecher und Sprecher für Technologiepolitik der Grünen und Vorsitzender des Arbeitskreises Soziales und Integ ration des Landtages. Nach mehr als 15 Jahren Beschäftigung mit der Idee des BGE ist er einer der ausge wiesenen Experten in Europa. Als Mitautor eines durchgerechneten BGEKonzeptes bleibt keine Frage offen. Nach seiner Einführung wer den Vertreter aus Unternehmen, Gewerkschaft und Theologie ihre Sichtweisen kurz darstellen und gemeinsam mit dem Publikum in einen Diskurs gehen. ■ rG 5. März 2020, 19.30 uhr Werkstatt am Neckar Heinrich-otto-Str. 20 73240 Wendlingen 6. März 2020, 19.30 uhr Werkstatt an der Schanz Graf-Zeppelin-Str. 3 72525 Münsingen

10 Hasen mit Stimmgewalt Das Musical „Flötentoni“ ist gelebte Inklusion – 200 Kinder und Jugendliche sind dabei D a gehört schon Mut dazu. Sich vor vollbe setztem Saal auf die Bühne zu stellen und den Hasen zu geben. Und doch haben sich genau das fast 200 Kinder und Jugendli che getraut. Das Kindermusical „Flötentoni“ ist eine wirklich „große“ Aufgabe und vor allem in Zeiten von Smartphone und jeder Menge Apps ein gewagtes Spiel – denk’ste! Die Mädchen und Jungen an der Mö rikeschule in Nürtingen, Grund und Werkrealschu le, haben sich um die Rollen im Musical „Flötentoni“ gedrängelt. Einmal auf der Bühne stehen, einmal das Rampenlicht genießen, für viele junge Künstler ein lang gehegter Wunsch. „Wir wollen aufstehen, aufeinander zugehen, voneinander lernen“, so heißt das Leitmotiv durch das gesamte Musical. Dass Musik wahrhaftig ein friedliches Bindeglied sowohl zwischen Generationen, als auch im interkulturellen Kontext ist, das bewiesen die Schülerinnen und Schüler der Mörikeschule und der Grund und Werkrealschule in Nürtingen. Schon der Anklang der ersten Töne ließ das Publikum in der Mörikehalle begeistert mitklatschen. Mit viel Herzblut und Begeisterung gestalteten weit mehr als hundert Schülerinnen und Schüler die Geschichte der „Flötentoni“ und der Zeitmaschine Tempora Fuguta, die durch alle musikalischen epochen von der Renaissance bis zur neuzeit reist oder besser gesagt: düst. Auch Kinder der städtischen Musikschule, Hiphop Tänzer, ein Orchester, die Line Dance Gruppe aus Frickenhausen, der Kindergarten Mühlstraße, die Werkstattband aus

ZEIT ScHENKEN Wendlingen, die Stadtkapelle Nürtingen, die Sopranistin Evelyn Fade, das Tänzerpaar Weiss sowie Kinder der Musik und Jugendkunstschule in nürtingen waren bei dem musikalischen Projekt mit dabei. Stellen Sie sich bloß das mal vor: Anno 1502, als Albrecht Dürer sein HasenAquarell malen will, hoppeln ihm alle Hasen davon. Den Dürer-Hasen hätt’s nie gegeben. Im Musical „Flötentoni“ haben Eleni, Maren und Lena die Hasenrollen übernommen. Sie müssen aber nicht nur dem Maler davon hoppeln, sondern auch kräftig singen. Zu Beethovens ‚neunter’ sollen sie anstimmen. In den ersten Proben klang das elysium noch recht zaghaft. „Aber da ich auch Musiklehrer an der Mörikeschule bin, habe ich das Privileg, dass ich viele Tage die Kinder je derzeit aus dem Unterricht holen konnte und mit ihnen üben durfte“, sagt Klaus-Peter Heilemann von der Ya maha-Musikschule, der das gesamte Projekt leitete. Bei den Aufführungen waren dann schließlich nicht nur die Hasen stimmgewaltig. Auch alle anderen schmetterten und intonierten mit Herz und Stimme. ner geworden, hat Anspielungen auf den Lebensalltag der Kinder und Jugendlichen von heute dabei. Von den Kindern wurde übrigens keines sich selbst überlassen. erwachsene arbeiteten in der Dramaturgie als Regis seure und Souffleure mit. Alle Kinder und Jugendli chen haben mit ihrem musikalischen oder tänzerischen Können einen klangreichen Bogen vom Barock bis zum Hiphop geschlagen. Die Botschaft des Stückes: Durch alle Länder und Zeitzonen hinweg, ist die Musik das Element, das ohne Verurteilung und Gewalt verbindet. Beim Schlusslied, das von Thomas Cwik, Leiter der Werkstatt am Neckar in Wendlingen und eine Einrich tung der Samariterstiftung, mit kräftiger Stimme un terstützt wurde, warben alle zusammen für den Weg in den Frieden. Der Erlös der Veranstaltung kam zu einem Teil der Jugendsozialstiftung ZeIT FüR MenSCHen, zum an deren Teil der Aktion „Licht der Hoffnung“ der Nürtinger Zeitung, die Mitveranstalter war, zugute. ■ Svv 11 „Mich reizt es, solch ein Gemein schafts projekt auf die Beine zu stellen“ Für dieses Kindermusical hatte Klaus-Peter Heilemann nicht nur seine eigenen Schützlinge begeistert, sondern auch eine Menge Partner gewonnen. „Das ist im gewis sen Sinn musikalische Inklusion“, sagt er. Denn an der Mörikeschule gehen tagtäglich 39 nationen ein und aus. Mit dem Singen und Tanzen verschwinden alle Sprach barrieren, Vorurteile schmelzen dahin und im Glanz der Scheinwerfer sind alle Beteiligten gleichermaßen stolz. „Mich reizt es, solch ein Gemeinschaftsprojekt auf die Beine zu stellen“, sagt der Musikpädagoge. Stephan Hänlein aus der Theaterspinnerei und ebenfalls Musiklehrer, hatte das Skript zum Musical völlig neu aufgesetzt und überarbeitet, es ist moder Stiftung zeit für menSchen magazin · 16/2019

Unsere Stiftungsfamilie bewegt 12 zeit für Menschen digital Im neuen Jahr wird der Internetauftritt der Stiftung ein neues Gesicht erhalten. Dabei wird besser über die Arbeit der Stifterfamilie berichtet werden und die Quartiersarbeit in den Regionen einen eigenen Bereich erhalten. Dabei wird die Stiftung zukünftig auch über Facebook und Instagram zu erreichen sein. perspektivwechsel Acht Führungskräfte der Kreissparkasse Esslingen und 12 Bosch’ler vom Standort Feuerbach haben in den vergangenen Monaten Einblick in für sie neue Welten genommen. Die Bosch’ler haben eine Woche am Stück im Leonberger Samariterstift mitgearbeitet, die KSKler haben in der Werkstatt am Neckar, im Hospiz Esslingen und im Demenzbereich des VöhringerHeims in nürtingen einen großen Blick gewagt. nach einer gründlichen Einführung in die Themenbereich wurde an jeweils zwei Tagen direkt mitgearbeitet. Für alle eine sehr intensive erfahrung, die sie allen Kolleg/innen herzlich empfehlen. fit für das praktische leben ein Projekt der Jugendsozialstiftung nimmt junge Menschen in drei Workshops mit in die Welt des Geldes und der Daten. Gemeinsam mit der Stiftung „Deutschland im plus“ und der Agentur „MumMedin und mehr“ lernen die Schüler/innen, wie sie sehr schnell in der Schuldenfalle landen und warum es lebensnotwendig ist, vorsorglich mit seinen Daten umzugehen. Das Projekt ist so erfolgreich, dass sich andere Nürtingen Schulen darum bewerben. So hilft die Jugendsozialstiftung ganz praktisch, sich im Leben besser zurechtzufinden und selbstständiger durch das Leben zu gehen. singen kennt kein alter Singen verbindet – vor sechs Jahren wurde gemeinsam mit der Caritas und dem Carus- Verlag das Projekt „Singen kennt kein Alter auf den Weg gebracht. Alle Senior/innen der Stadt waren in den Dom zu Köln und in die Stiftskirche nach Stuttgart eingeladen um aus vollen Kehlen geistliche Lieder und gängige Volkslieder und Schlager zu schmettern. Die Idee hat Verbreitung gefunden: Bereits zum dritten Mal lud die Stiftung ZeIT FüR MenSCHen gemeinsam mit den Kirchengemeinden in Leonberg in die Stadtkirche, diesmal auch gemeinsam mit der Allianz für Demenz. Dekan Vögele leitet schwungvoll und mit viel Witz durch den nachmittag. Auch in Ostfildern-Ruit wurde zum zweiten Mal eingeladen – in diesem Jahr aber ins Gemeindehaus, die Kirche wird renoviert. Nachahmer sind überall im Land herzlich eingeladen.

ZEIT Für MENScHEN Wahl der leitungen In der Jugendsozialstiftung und der Pfullinger Stiftung wurden bei der jähr- lichen Stifterversammlung die Sprecher kreise für eine weitere Amtszeit von 3 Jahren bestätigt. Der Sprecherkreis der Pfullinger Stiftung konnte dabei erweitert werden: Dr. Klaus Adam, Barbara Müller und Martina Roth wurden sehr herzlich mit großem Dank für ihre Bereitschaft begrüßt und einstimmig gewählt. neue filme und buch Inklusion ist einfacher als man denkt der ISTMetz Stiftung zeigt in beein drucken der Weise, wie Mitarbeitende aus der Werkstatt am Neckar bei der Firma IST Metz integriert werden konnten. Eine Einladung und Anleitung an alle Unternehmer es nachzutun. es ist ein- facher als man immer denkt. Maja-Fischer-Hospiz in Ebnat – ein Ehepaar erzählt von seinen Erfahrungen im Hospiz“ beantwortet in fünf emotionalen Minuten, was ein Hospiz ist und was es für Gäste und Angehörige bedeutet. Beide Filme sind auf Youtube zu finden. Stiftung zeit für menSchen magazin · 16/2019 jubiläum Die älteste Tochterstiftung wird schon fünfzehn! Mit der Münsinger Alb Stiftung war 2005 der Startschuss für mittlerweile acht Tochterstiftungen gesetzt. Stifter/ innen aus der Bürgerschaft und Unternehmen aus der Region haben sich verbunden, um die Idee eines Bündnisses für Gemeinwohl und Menschenwürde auf den Weg zu bringen. 2020 wird gefeiert, gemeinsam mit dem Samariterstift, das dreißig wird und dem Wohn- park Mitte, der zwanzig Jahre alt wird. Fünf Jahre später wurde die Pfullinger Stiftung ins Leben gerufen. nach zehn Jahren ist sie in Pfullingen tief verwurzelt. es werden Projekte für alle Altersstufen und Milieus gefördert. 13 spenden helfen Mit rund 40.000 € konnten 2019 gut 30 Projekte ganz unterschiedlicher Art gefördert werden. So wird es voraussichtlich gelingen, zwei Menschen mit Beeinträchtigung nach Monaten in einem sehr gut betreuten Praktikum, in eine Ausbildung zur Pflegekraft zu bringen. Oder: Senior/innen aus dem Samariterstift machen sich auf in den Weinberg und lesen ausdauernd Trauben, Vesper und Weinprobe inklusive. Kinder aus dem Migrationskindergarten „Hand in Hand“ freuen sich über eine Unterstützung der Sprachförderung. Die Bewohner des Samariterstiftes in Pfullingen freuen sich über den „Plaudertisch“, ein Tisch auf und unter dem Bewegungsgeräte angebracht sind. Man sitzt am Tisch, bewegt sich und unterhält sich dabei – selten ist ein Platz frei! In Tübingen singen Menschen mit und ohne demenzielle erkrankung gemeinsam im Chor, die Leiterin ist speziell dafür geschult. www.zeit-fuer-menschen.de ■ rED

BucHTIPP jetzt iM hanDel Von Hier nach Dort Lebensgeschichten vom Sterben im Hospiz 14 Eine kostbare Zeit Sterbende, Angehörige und Pflegende erzählen in diesem Buch, wen und was wir brauchen, wenn der Tod naht. Die persönlichen Geschichten zeigen, wie der Blick auf das Ende auch belebend wirken kann. Ein Buch, das zeigen will wie schön es ist, noch Zeit zu haben mit Men schen, die uns lieb sind. Und wie tröstend, miteinander verbunden zu bleiben – auch über den Tod hinaus. Von hier nach Dort lebensgeschichten vom Sterben im Hospiz 20 eur (davon gehen 5 Eur an die Aalener Hospizstiftung) verlag Herder, 1. Auflage 2019, Kartoniert, 128 Seiten ISBN: 978-3-451-60088-3 Bestellnummer: P600882 Weitere Bestellungen auch über: info@zeit-fuer-menschen.de Bei Abnahme einer größeren Menge kann rabatt gewährt werden. iMpressuM Herausgeber: samariterstiftung Schlossweg 1 | 72622 Nürtingen Telefon 07022 / 505-200 www.samariterstiftung.de www.zeitfuermenschen.de v.i.S.d.P: Frank Wößner redaktion: Sabine von varendorff (svv) E-Mail: sabine.vonvarendorff@ samariterstiftung.de Weitere Autor/innen: reinhard Gradmann (rg) und Susanne Müller-Baji (smb) Telefon redaktion: 07022 / 505-204 Design und realisierung: enorm.design Druck und verabeitung: Senner Medien Erscheinungsweise: 2 x jährlich Artikel im magazin geben nicht immer die Meinung der redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte Artikel, Fotos u. ä. wird keine Haftung übernommen. rechte Die im magazin veröffentlichten Beiträge, Fotos, Grafiken u. Ä. sind urheberrecht- lich geschützt. Die reproduktion, ganz oder in Teilen, durch Nachdruck, foto- technische vervielfältigung oder durch andere verfahren sowie das Einspeisen in elektronische Systeme bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der redaktion. bildnachweise magazin SAMArITErSTIFTuNG: Archiv Samariterstiftung (26, 27, 28), iStock.com/baza178 (20), iStock.com/ Geber86 (Titel), iStock.com/Pavel Kratirov (9), iStock.com/riya-takahashi (14), iStock.com/tomch (u2), Müller- Baji (16, 17), Philippe ramakers (7), Sing4Joy (28, o), von varendorff (10, 12, 18, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 29). magazin STIFTuNG ZEIT Für MENScHEN: Archiv Samariterstiftung (12, 13), iStock.com/Eoneren (8), iStock. com/skynesher (Titel), Heilemann (10, 11), Holzwarth (4, 6), Status-verlag (14)

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