ZEIT SCHENKEN D er Erste-Hilfe-Kurs, wie ihn die meisten von der Fahrschule her kennen, rettet Leben. Beim deutschlandweit angebotenen „Letzte-Hil- fe-Kurs“, wie ihn die Samariter-Stiftung unlängst ins Service- und Quartiershaus Feuerbacher Balkon ge- holt hat, geht es dagegen um Lebensqualität – und um Hilfestellungen für die Angehörigen. Das klingt nach einem bedrückenden Thema, doch am Kurs-Nachmittag wurde viel gelacht. Den Gedanken an den Tod schieben die meisten Men- schen gern weit von sich. Wer sich trotzdem mit dem Thema befasst, hat dafür meist seine Gründe: „Ich möchte vorbereitet sein, wenn es soweit ist“, bringt eine Teilnehmerin ihre Motivation für diesen Feuerbacher „Letzte-Hilfe-Kurs“ auf den Punkt. Wie sie haben eini- ge der Teilnehmer:innen betagte oder bereits schwer erkrankte Angehörige und erhoffen sich nun Informati- onen. Ein Gast erklärt aber auch, er wolle sich mit der ei- genen Endlichkeit auseinandersetzen. So oder so bietet der vierstündige Kurs wertvolle Tipps, dazu vertiefende Broschüren zu allen Themen, und das Angebot der Re- ferentinnen Christine Pfeffer und Monika Fingerle, auch telefonisch gern weitere Fragen zu beantworten. Die beiden Referentinnen gehören dem Team „Beglei- tung zu Hause“ des Stuttgarter Hospizes an, Pfeffer als Leiterin des Ambulanten Pflegedienstes, Fingerle als Koordinatorin. In den vier bundesweit einheitlichen Kursstunden schlagen sie nun einen weiten Bogen, und das erfreulich bodenständig: Vom eher philosophischen Nachdenken über die Untrennbarkeit von Leben und Tod, führt der Nachmittag über das Thema Gesund- heitsvollmacht bis hin zu Abschieds- und Trauerritualen. Dazwischen gibt Monika Fingerle praktische Tipps, wie man etwa das Leiden der Patienten lindern kann, vom richtigen Betten bis hin zum Lippenbefeuchten. In un- mittelbarer Nähe zum Tod verändere sich die Wahrneh- mung, erfahren die Teilnehmer:innen, manche Sinnes- eindrücke verstärkten sich dabei. Schon das Handhalten könne dann als unangenehm empfunden werden. Es sei deshalb besser, die Hand von unten zu stützen: „Das hat auch den Vorteil, dass der Patient die Hand entziehen kann.“ Nicht alle Veränderungen seien erforscht, un- terstreichen die Referentinnen: „Eines ist aber sicher, dass man bis ganz zum Ende hört.“ Das sollte bedacht sein, bevor die Gespräche am Totenbett ums strittige Erbe gehen, sagen die Frauen, die womöglich all dies auch schon miterlebt haben. STIFTUNG ZEIT FÜR MENSCHEN MAGAZIN · 21/2022 Woran erkennt der Laie, dass der Tod unmittelbar be- vorsteht, „dass sich jemand bald auf den Weg macht“, wie Pfeffer es ausdrückt? Einige Patienten würden von einer Unruhe gepackt, andere dämmerten hinüber. Oft sei es aber so, dass sich die Menschen spürbar in sich zurückziehen: “Diese scheinbare Ablehnung ist natür- lich für die Angehörigen schwer zu ertragen“, weiß Pfeffer. Manchmal wirkten die Patienten auch verwirrt, sprächen dann mit Personen, die nur sie sehen. „Wer stirbt, steht wie auf einer Brücke, ist noch hier, sieht aber in das hinein, was kommt.“ 7 Ganz diesseitig war die Fragestellung, welche Möglich- keiten der Betreuung es zwischen Palliativstation, Hos- piz und häuslicher Pflege gibt – und wo die Angehörigen Unterstützung finden. Wer schon einmal in der Situa- tion war, weiß, wie schnell man sich aufreibt zwischen Ärzten, Krankenkassen und der eigentlichen Pflege. Dass die meisten Menschen zuhause sterben wollen, die Realität aber meist anders aussieht, führte Pfeffer schon zu Beginn aus. Andererseits: Viele, die sich völlig ausgebrannt um stationäre Aufnahme ihrer Angehörigen bemühen, wüssten oftmals nicht von den Angeboten, die sie bei der häuslichen Pflege entlasten würden. Deutlich wird auch: Wer sich um andere kümmern will, kommt nicht umhin, sich Gedanken über seine eigene Endlichkeit zu machen. „Schreiben Sie auf, wie Sie ster- ben wollen“, weisen die Referentinnen an. „Am liebsten über Nacht“, scherzt eine Teilnehmerin. Die Aufgabe entpuppt sich als schwieriger als zunächst gedacht. Was ist noch wichtig im Angesicht des Todes: Nähe, Würde, Selbstbestimmung? Der eigene Standpunkt müsse im- mer wieder hinterfragt werden, rät Pfeffer. Was jetzt als unumstößlich gelte, könne sich ganz anders darstellen, wenn die Zeit gekommen ist.